17. September 2012

Steffi Klär: Was braucht die Kulturstadt Basel jetzt sofort?

#Wahlen

Politik und Verwaltung sollen ein Praktikum in der Kultur- und Gastronomiebranche machen

Jetzt, so vor den Wahlen, wenn die Parteien und Kandidaten plötzlich über zwei grosse offene Ohren verfügen und dazu neigen, mehr zu versprechen, als sie vielleicht jemals werden halten können, ist ein guter Moment, sich etwas zu wünschen.

Ich wünsche mir die Einführung eines obligatorischen Praktikums für Politik und Verwaltung in der Kultur- und Gastronomiebranche.

Wer Lautstärke beurteilen, Öffnungszeiten kürzen, bauliche Auflagen fordern oder Bewilligungen für die Kultur- und Gastronomiebranche erteilen will, soll in Zukunft  mindestens 4-6 Wochen in ebenso einem Betrieb gestanden, angepackt und dessen Arbeitsalltag miterlebt haben. Warum?

In den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, Basels Politik und allen voran die Verwaltung hätte es sich zum Ziel gesetzt, grundsätzlich möglichst restriktiv zu verfahren und lieber ein Verbot auszusprechen als etwas zu ermöglichen.

Dass unsere Stadtväter-, -Mütter und –Verwalter dies vorsätzlich und bewusst tun, kann doch nicht sein. Nein, es muss an etwas anderem liegen. Wahrscheinlich haben sie ein ganz falsches Bild davon, was die Arbeit in der Kultur- und Gastronomiebranche eigentlich ausmacht.

Gastgewerbegesetz & Wiedereinführung Polizeistunde, Gebührenverordnungen, Boulevard-Möblierung, Rauchverbot, Kulturplakatierung vs Stadtsäuberungsaktionen. Diese Themen haben Kultur & Gastronomie und Kulturstadt Jetzt in den letzten Monaten und Jahren beschäftigt. Immer ehrenamtlich, neben unserer eigentlichen Arbeit, meist bis spät in die Nacht hinein. In den meisten Fällen haben wir dabei gegen immer restriktivere Auflagen, für mehr Handlungsspielraum und Wertschätzung für die Leistungen unserer Branche gekämpft. Wir standen repressiven Vorlagen, festgefahrenen Ämtern, selbstzufriedenen Politikern und Anwohner-Lobbyisten gegenüber, die uns als Störenfriede, Widersacher und Gefahr für Ruhe und Ordnung abstempelten.

Einige der Forderungen und Äusserungen deuten darauf hin, dass sie uns als Partybrüder- und schwestern, Tagträumer und Lebemenschen ansehen –  alle mit mindestens einem Goldesel ausgestattet, selten frühaufstehend und einer regelmässigen Arbeit im Rahmen der normalen Bürgerpflicht grundsätzlich abgeneigt.

Zugegeben: oft ist in unserer Branche der Beruf mehr als nur ein «Job» und hat viel mit persönlichem Verbundenheit und Leidenschaft für die Sache zu tun. Allerdings sind 12 bis 14-Stundentage für mich und die meisten meiner KollegInnen keine Seltenheit. Finanzieller Druck und personelle Engpässe gehören ebenso zur Tagesordnung wie die Notwendigkeit, immer wieder etwas Neues zu präsentieren, um den Ansprüchen der Kundschaft und Gesellschaft zu genügen.

Liebe Verwaltung, liebe Politik:

Unsere Arbeit ist kein andauernder Prosecco-Empfang. Auch wenn wir oft bis in die Nacht arbeiten, beginnen unsere Arbeitstage normalerweise lange vor der Mittagszeit.

Immer wieder habe ich die Wertschätzung unserer Arbeit für die Stadt vermisst, und ihren Einfluss auf die sozialen Kontakte,  die Entwicklung unserer Gesellschaft und den grossen wirtschaftlichen Faktor unserer Branche als nicht verstanden erlebt.

Vielleicht würde es für die Zusammenarbeit zwischen Ämtern und Betrieben, für die Abläufe von Bewilligungsverfahren, für das Entstehen von Neuem und die Weiterentwicklung von Bestehendem – für den Groove in unserer Stadt einiges bringen, wenn wir uns besser kennenlernen «müssten».

Eure Bewerbungsunterlagen für ein Praktikum nehmen wir ab dem  29. Oktober 2012 (Tag nach den Wahlen) gerne entgegen!

Steffi Klär, Kultur & Gastronomie