16. September 2012

Karl Linder: Oper oder Open Air? Alles Mögliche möglich machen!

#Wahlen

Vor 30 Jahren noch haben die Feuilleton-Redakteure entschieden, welche Kultur es verdiente, journalistisch gewürdigt zu werden. Zeitungen, die etwas auf sich hielten und nationalen oder gar internationalen Status beanspruchten, berichteten über Theater Premieren in Hamburg, wenngleich das Presseerzeugnis in Zürich erschien. Das neue Album der Rockmusik Bands ‚Police‘ oder ‚Clash‘ hingegen wurde dort einfach totgeschwiegen, als würde diese Musik gar nicht stattfinden. Es gab noch kein DRS3, und es galt als common sense, dass diejenigen, welche etwas anderes hören und lesen wollten, was öffentlich wahrnehmbar war, diese Musikton-Träger kaufen mussten.

Heute im Jahre 2012 ist vieles möglich, die Bedürfnisse in der Kultur sind vielfältig wie die Menschen auch, und das ist gut so. Keine Medien sind in Sicht, welche mit dem ‚Zeigefinger‘ von damals den Menschen gegenüber ihren Kulturbegriff aufzwingen wollen. Es findet enorm viel Kultur statt in der Region Basel, und darauf darf man durchaus stolz sein. Von den 123 mio Franken jährlich an Kulturausgaben, nur alleine durch den Kanton Basel-Stadt, werden viele interessante Projekte finanziert. Seien wir hier etwas präziser: Diese Gelder gehen primär in die alt-bürgerlichen Kulturformen Stadtheater/Museen. Basel hat dank diesen Geldern des Kantons, aber auch wegen den Gönnerbeiträgen von Privaten und Stiftungen ein hohes Renomée als Kulturstadt alter Kunst- und Kulturformen. Aber reicht das auch? Stimmen denn die Rahmenbedingungen, damit kleine und grosse private Kulturanbieter im öffentlichen Raum aktiv wirken können?

Die Attraktivität der Kultur-Stadt Basel soll wirken für kultur- und kunstinteressierte Touristen. Man verlinkt gerne die Standortfrage für Topkader mit dem Angebot der Oper und dem Schauspielhaus. Das mag durchaus zutreffen. Ich habe in meinem beruflichen Umfeld dazu auch anderes gehört. Eine australische Familie äusserte sich diesen Sommer mir gegenüber begeistert über die Gratis-Konzerte im Fluss, eine tschechische Besucher-Gruppe stellte nicht minder euphorisch fest, dass Basel im Sommer eine Baden-im-Rhein Erfahrung gewesen sei im mediteranen Stil. Womit wir bei der Frage wären: Was ist nun alles Kultur? Ist es das, was man von oben herab als Kultur deklariert oder ist es wohl eher das, was die Menschen als Kultur empfinden und auch leben? Nämlich: Die ganze Spannbreite vom Häbse-Theater zum Keller im Hirschi, von der Oper zum Open-Air an der Grün 80, vom Tattoo zu Motörhead in der Reithalle/Kaserne? Ja, genau so sollte es sein.

Dem Komitee Kulturstadt Jetzt kann man gratulieren. Ja, auch zum 10jährigen Geburtstag. Aber vor allen Dingen dazu, viel zur politischen Meinungsbildung beigetragen zu haben in der Region. Kulturstadt Jetzt hat den Kulturbegriff erweitert; Ihn nämlich zu den Menschen gebracht.